Im vergangenen Jahr startete Indian nach 60-jähriger Abstinenz erstmals wieder beim Flat Track Racing – und erzielte auf Anhieb ein perfektes Ergebnis. Die drei Werksfahrer belegten die Meisterschaftsplätze eins bis drei und zudem holte Indian den Konstrukteurstitel. Damit fügte Indian seiner grandiosen Motorsportgeschichte ein weiteres Erfolgskapitel hinzu. Brechen wir auf zu einer rasanten Zeitreise.
Von Charlie Lecach.
Fotos : Sammlung C.L. & archives Indian
Indian ist der erste amerikanische Motorradhersteller und zählt auch im Rennsport zu den Pionieren. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die Entwicklung motorisierter Zweiräder noch in den Kinderschuhen steckte, gab Indian bereits auf den Rennstrecken Vollgas. Man wollte der Welt beweisen, dass Motorräder sowohl Pferden als auch Fahrrädern, den damals bevorzugten Fortbewegungsmitteln, deutlich überlegen sind. Die Leute sollten erkennen, dass Motorräder zuverlässiger und wirtschaftlicher waren sowie mit großer Ausdauer punkten und weite Strecken problemlos zurücklegen konnten.
Bereits zwei Jahre nach der Gründung der Marke Indian 1901 in Springfield wurde die erste Flat Track Strecke in New York eingeweiht. 1908 kamen mit den Rundkursen Agricultural Park und Ascot Park in Los Angeles zwei weitere Pisten hinzu. Bereits ein Jahr zuvor hatte der britische Promoter Jack Pince eine ganz andere Idee entwickelt: Er eröffnete in Los Angeles das weltweit erste Motodrom. Auf diesem Oval mit Holzuntergrund erzielten die Fahrer deutlich höhere Geschwindigkeiten als auf den sandigen Flat Track-Pisten und boten damit eine noch größere Show. Diese sogenannten Boardtrack-Rennen errangen in kürzester Zeit in den USA große Popularität. Prince baute umgehend weitere Rennstrecken im ganzen Land.
Die neue Sportart barg jedoch auch große Gefahren: So starben zum Beispiel 1912 beim großen Crash in Newark, New Jersey zwei Indian Fahrer und sechs Zuschauer. Seit diesem Unglück sprach die Öffentlichkeit von „Murderdromes“ (zu deutsch: Mordstrecken). Indian konzentrierte seine Bemühungen künftig vollends auf das Flat Track Racing und brachte dafür mit dem Indian V-Twin mit Vierventiltechnik den perfekten Motor auf den Markt.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Charles „Fearless“ Balke dominierte mit seinem Racing-Bike die Läufe im Mai 1914 in Chicago. Darüber hinaus ging Indian mit dem neuen Motor auch bei Langstreckenrennen an den Start: Bei den „Dodge City 300 Miles“ drehten die Fahrer 150 Runden auf dem zwei Meilen langen Dirt-Oval. Der Sieger: Glenn Boyd auf einer Indian mit V-Twin. Dass Indian mit seinem Flat Track-Engagement auf die richtige Rennserie gesetzt hatte, zeigte sich bereits 1916: Boardtrack-Racing verlor zunehmend an Bedeutung.
Zu diesem Untergang trug auch der Erste Weltkrieg bei. Indian stellte zum Beispiel die komplette Produktion auf Militärfahrzeuge um. Nach dem Friedensvertrag von Versailles kehrten die Soldaten in ihre Heimatländer zurück und verlangten wieder nach Ablenkung und Unterhaltung. Flat Track Racing erlebte erneut einen großen Boom. Indian Werksfahrer Gene Walker gewann in der Premierensaison vier von neun Rennen und holte den Meistertitel.
Leider kam es auch bei Flat Track Rennen immer wieder zu tödlichen Unfällen. Deshalb halbierte die Motorcycle and Allied Trades Association – der direkte Vorgänger der heute bekannten Motorsportorganisation A.M.A. (American Motorcycle Association) – im Jahr 1922 die Hubraumgröße der Flat Track-Motorräder von 1.000 auf 500 Kubikzentimeter. Trotzdem hielten die tödlichen Unfälle an, die Champions Ray Weishaar und Gene Walker starben während der Saison 1924. Die Folge: Der Hubraum wird noch weiter reduziert auf nunmehr 350 Kubikzentimeter. Das hatte zur Folge, dass die Rennen ihren spektakulären Charakter und damit natürlich auch viele Zuschauer das Interesse verloren. Auch das Motto „Von der Rennstrecke auf die Straße“, mit dem viele Hersteller ihr Engagement im Motorsport rechtfertigten, zog nicht mehr. Die hochgezüchteten Triebwerke, die in den Werksmaschinen zum Einsatz kamen, hatten wenig mit den Serien-Motoren gemein.
Zu Beginn der 1930er-Jahre brachte die Weltwirtschaftskrise zahlreiche Motorradhersteller an den Rand des Abgrunds. Die Leute hatten kein Geld für Motorräder und verloren dementsprechend auch das Interesse an teuren Rennmaschinen. Auf diese Entwicklung reagierte die A.M.A. 1933 mit der Einführung einer neuen Rennklasse: In der Class C waren nur Rennmaschinen erlaubt, die auch über eine Straßenzulassung verfügten. Indian nutzte diese Chance: 1934 feierte die Sport Scout Premiere, die mit neuem Keystone-Rahmen, der den Motor als tragendes Element aufnahm, nur 175 kg wog und mit beeindruckenden Handling-Eigenschaften begeisterte. Mit seiner großen Schräglagenfreiheit erzielte der Racer enorme Kurventempi und gab auf den Rennstrecken rund um den Globus wieder das Tempo vor. Ein weiterer Pluspunkt: Das Bike war auch für Amateure erschwinglich und damit sehr gefragt.
Die Sport Scout gewann hunderte lokale Rennen. Rollie Free stellte auf ihr im Jahr 1938 mit 179 km/h einen neuen Geschwindigkeitsrekord in der Class C auf. Ed Kretz, der auf den Kosenamen Iron Man hört, gewann 1936 die 200 Meilen von Savannah und im Jahre darauf die 200 Meilen von Daytona. 1937, 1938 und 1940 siegte er bei den 100 Mile Nationals.
Der Siegeszug der Super Scout hielt bis zum Zweiten Weltkrieg an. Dann stellte Indian seine Produktion ausschließlich auf Kriegsmaschinen um. In diesem Zeitraum zogen andere Hersteller auf den Rennpisten an Indian vorbei. 1947 kehrte der Hersteller mit dem Indianerkopf im Logo mit der 648 Big Base Scout zurück. Leider blieben Siege – bis auf den Erfolg bei den 200 Meilen von Daytona 1948 – zunächst aus. Jedoch erkannten Topfahrer wie Bobby Hill, Ernie Beckmann und Bill Tuman das Potenzial der Scout im Flat Track Racing. Hill gewann 1951 und 1952 auf der modifizierten 750 Scout den A.M.A. Championship, im Folgejahr sicherte sich sein Team-Kollege Bill Tuman den begehrten Titel. Es sollte leider für lange Zeit der letzte Triumph der Marke im Flat Track Racing bleiben. Genauer gesagt bis zum sensationellen Comeback im Jahr 2017.
ZURÜCK AUF DER PISTE
Indian hatte sich auf die Rückkehr in den Flat Track-Rennsport akribisch vorbereitet: Bereits Ende 2016 nahm die komplett neu entwickelte FTR 750 an einigen Läufen auf dem Dirt-Track teil und ließ mit starken Ergebnissen aufhorchen. Die große Sensation folgte im März beim Auftakt zur Saison 2017 in Daytona. Gleich beim ersten offiziellen Rennen belegte Indian die ersten beiden Podiumsplätze. Auch bei den restlichen Läufen fuhr die Konkurrenz meistens nur hinterher. Von den 18 Meisterschaftsläufen gewann das Werks-Team Indian Wrecking Crew 14. Die drei Werksfahrer holten 37 von 54 maximal möglichen Podiumsplätzen. Bereits drei Rennen vor Saison-Ende sicherte sich der Hersteller den Konstrukteurstitel. Einen Lauf später stand Jared Mees als neuer Meister fest. Seine Team-Kollegen Bryan Smith und Brad Baker belegten am Ende der Saison die Plätze zwei und drei und erzielten damit für Indian ein perfektes Ergebnis.
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