Für Indian Motorcycle-Enthusiasten, die nicht nur gerne aktuelle Modelle fahren, sondern sich auch für das historische Erbe der Marke interessieren, ist eine Pilgerreise in die Stadt Springfield, Massachusetts – mindestens ein-mal im Leben – ein absolutes Muss.
Text und Fotos: Charlie Lecach
Hier können Sie ein großartiges Museum be-suchen, das die Geschichte des 1901 gegrün-deten Motorradherstellers nachzeichnet! Es gibt nicht weniger als 34 Städte in den Vereinigten Staaten, die den Namen Springfield tragen. Sogar Homer und Marge Simpson leben in einer davon. Aber es gibt nur ein Springfield in Massachusetts – und das ist die Geburtsstätte der Marke Indian Motocycle – ursprünglich ohne „R“ geschrieben.


Bis 1928 dachte Indian Motorcycle darüber nach in die Automobilproduktion einzusteigen, kam jedoch nie über die Prototypenphase hinaus – entmutigt durch den Börsencrash von 1929.
Genau dorthin führt uns unser Weg, um die Spuren ihrer Vergangenheit nachzuverfolgen, die bereits bei der Ankunft unübersehbar sind.
Der Ort mit der höchsten Dichte an Restau-rants ist hier kein anderer als das gigantische MGM Casino, vor dem das ehemalige staatliche Waffenlager steht, das 1895 errichtet wurde. An einer seiner roten Backsteinfassaden prangt ein Wandgemälde, das keine Zweifel lässt: Eine riesige Indian Scout 101, dessen Umsetzung vom örtlichen Händler finanziert wurde, zeigt deutlich – wir befinden uns im Indian Motorcycle-Territorium! Das Geschäft beherbergt eine beachtliche Sammlung his-torischer Modelle, die jedoch im Vergleich zum Museum, das wir besuchen werden, eher bescheiden ausfällt.
Im Erdgeschoss sind mehrere Oldtimer ausgestellt, die direkt mit der Geschichte Springfields verbunden sind. Ebenfalls zu sehen – zum ersten Mal öffentlich – ist ein seltenes Millitor-Motorrad mit Seitenwagen. Ein Vierzylinder mit hölzernen „Artillerie“- Rädern, gebaut von der Sinclair Motors Corporation, nur wenige Meilen entfernt.
Im Obergeschoss beginnt die Indian Motorcycle-Tour mit einer Hommage an die beiden Gründer der Marke. Bevor er in die Motorradbranche einstieg, war George M. Hendee von 1882 bis 1886 der erfol-greichste Radrennfahrer der USA. Er fuhr ein Hochrad wie das hier ausgestellte – ein echtes Original aus seinem Besitz. Ebenfalls ausgestellt ist eine schöne Sammlung von Medaillen, die Hendee bei diesen Rennen gewann – der Anfang seiner Karriere als Fahrradhersteller mit seiner Marke „Silver King“. Als er Carl Oscar Hedstrom kennenlernte, taten sich die beiden zusammen und gründeten Indian Motorcycle. Im Museum befindet sich eine Holzkiste mit rund 200 seiner Präzisionswerkzeuge. Er hing so sehr
an ihnen, dass jedes einzelne Stück mit seinem Namen oder seinen Initialen gra-viert ist. Obwohl die Motorradproduktion 1901 begann, ist das älteste Modell im Museum von 1906 – mit dem klassischen „Camelback“-Tank. Es war Hedstroms persönliches Motorrad.
Wie fast alle anderen Exponate wurde auch dieses von Esta K. Manthos der Stadt Springfield gespendet – und war der Ausgangspunkt für die Gründung des Museums. In einer weiteren Vitrine finden sich Ziegelsteine aus dem ältesten Teil der Indian Motorcycle-Fabrik in der State Street, die 1985 abgerissen wurde, ebenso wie ein Zierelement der Fassade und eine industrielle Deckenleuchte aus Kupfer und Gusseisen.
Es gibt viele weitere Objekte aus der Geschichte von Indian Motorcycle, doch unser Blick fällt sofort auf einen Boardtracker mit Einzylinder-OHV-Motor von 1912, begleitet von einer extrem seltenen Transportkiste aus Holz. Angeblich existieren weltweit nur noch zwei dieser Kisten – die andere ist im Wheels Through Time Museum in Maggie Valley, North Carolina.
Die Indian Motorcycle-Chronologie setzt sich fort mit einem V-Twin von 1913, gefolgt von einem Model O – einem selte-nen, kleinen 257-ccm-Boxermotor, der zwischen 1917 und 1919 gebaut wurde. Auch der Rest der Modellpalette ist hervorragend vertreten: eine feine Auswahl an Scouts, Chiefs, Indian Four, Arrow und Warrior – als Ein- und Zweizylinder in Reihenbau- weise, Rennmaschinen und sogar ein Roadster-Prototyp von 1928. Die gesamte Ausstellung wird ergänzt durch reich illus- trierte Wandtafeln mit Hintergrundinformationen sowie zahl- reiche Vitrinen mit einer Vielzahl an Schätzen: Werkzeuge, Öl-kannen, Rennpullover, Pokale und Trophäen, Vintage-Spielzeug, aufgeschnittene Motoren und vieles mehr – all das erzählt die bewegte Geschichte des ältesten US-amerikanischen Motorradherstellers in industrieller Fertigung.

In jedem Fall sollte ein Besuch in Springfield mit einem kurzen Rund-gang durch die alten Gebäude in der State Street und der Wilbraham Road enden – sie dienten einst als ursprüngliche Fabrik der Indian Motocycle Company und wurden inzwischen in 199 Sozialwohnungen umgewandelt. Das einzige ausgestellte Motorrad ist eine Chief Road-master von 1951, die auf einem Podest in der Empfangshalle thront, umgeben von zahlreichen Fotos, die die bewegte Vergangenheit dieses Gebäudes zusammenfassen.
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