Der Mythos besagt, das erste Motorradrennen begann, als das zweite Motorrad gebaut war. Da asphaltierte Straßen Ende des vorletzten Jahrhunderts eher rar waren, dürfte das also auf losem Grund stattgefunden haben. Wenn es dann auch noch im Kreis vonstatten ging, war das die Geburtsstunde des Flat Track Racings.

Klar, dass der älteste Motorradhersteller Amerikas von Anfang an dabei war. Und nicht nur das: Indian Motorcycle hat den Sport auch über Jahrzehnte dominiert. Nach langer Abstinenz kehrte die „Wrecking Crew“ 2017 mit der FTR 750 zurück und knüpfte nahtlos an die Erfolge vergangener Tage an. Das freilich alles in den USA, wo sich der Bahnsport seit jeher großer Beliebtheit erfreut. Doch auch in Deutschland wächst die Szene rasant, mit dem „Krowdrace“ wurde 2019 eine eigene Serie ins Leben gerufen. Indian Motorcycle unterstützt sie nach Kräften und mischt auch mit eigenen Fahrern ordentlich mit.
Für Deutschland sitzen mit Kenny Hinck und Martin Hüning zwei erfahrene Vollblut-Motorsportler im Sattel. Kenny ist seit Kindheitstagen im Straßenrennsport verwurzelt und hat sich u.a. auch der wohl größten Herausforderung gestellt, die der Motorradrennzirkus zu bieten hat: der Isle of Man TT. Martins Rennsportvergangenheit ist vom V-Twin-Dragster-Racing geprägt, wo er über etliche Jahre von einem Podiumsplatz auf den nächsten sprang.
Seit kurzem nun ziehen beide am Kabel ihrer brandneuen Race FTR 1200, Kenny übernahm dabei in Zusammenarbeit mit Indian Motorcycle Hamburg auch noch den Umbau der beiden Maschinen. Ausgangsbasis waren FTRs, wie sie bei eurem Händler stehen. Die mussten dann freilich ein wenig Federn lassen. Schließlich weichen die Anforderungen, die Flat bzw. Dirt Track an die Motorräder stellen, deutlich von dem ab, was man von einem straßenverkehrstauglichen Allrounder erwartet.
Das Offensichtlichste sind natürlich die Kurven, auch wenn es beim Flat Track derer nur zwei gibt. Doch die sind entscheidend. Auf der Straße legt man sich hinein und wünscht sich sehnlichst, dass das Hinterrad nicht ausbricht. Um auf dem losen Untergrund des Flat Tracks möglichst schnell zu sein, muss das Hinterrad driften – natürlich wohl dosiert. Weil dabei nicht nur die Reifen eine Rolle spielen, sondern auch Gewicht und Fahrwerksgeometrie ganz entscheidend sind, wurde von Roland Sands Design eigens für die FTR 1200 das Hooligan Kit entwickelt: Ein aus dem Vollen gefrästes, extra schweres 19-Zoll-Hinterrad für bessere Traktion. Eine verstellbare Gabelbrücke mit steilerem Lenkkopfwinkel für erhöhte Wendigkeit und individuelle Geometrie. Ein kleinerer Alu-Tank und eine kürzere Schwinge. Denn je länger das Motorrad, desto schwieriger lässt sich der Drift kontrollieren. Damit auch die Ohren ihr Erlebnis haben, ergänzte Kenny das Hooligan-Kit um eine selbst gefertigte 2in1-Auspuffanlage mit ultra-kurzem SC-Project Endschalldämpfer.
Was sich hier nun fast wie plug and play liest, war natürlich eine Menge Arbeit. Ihren Abschluss fand sie auf Dennis Junges Dynojet-Prüfstand. Nach einigen Stunden Optimierung waren die FTRs mit geänderten Kennfeldern nicht nur perfekt auf ihr neues Einsatzgebiet abgestimmt, sondern hatten auch noch ein paar Pferde mehr im ohnehin schon üppig gefüllten Stall.
Bedingt durch Covid-19 bestand die Krowdrace-Serie dieses Jahr nur aus drei Rennen im Herbst: Auf dem Eichenring in Wolfslake, dem MC Mecklenburgring in Parchim und bei den Petrol Days des MSC Nordhastedt – alle drei klassische Speedwaykurse. Die Strecken unterscheiden sich in Länge und Belag, doch der Ablauf der Wochenenden ist immer gleich: Samstags Trainings, sonntags die Rennen. Und für manche Schrauben in der Nacht dazwischen. Eine weitere Konstante: Die um sich greifende Begeisterung. Im gesamteuropäischen Starterfeld sind viele Frauen vertreten und auch viele jugendliche Motocross-Fahrer haben Flat Track für sich entdeckt.
"Der Spirit in dieser bei uns neuen Szene ist großartig“, wie Pamela Beckmann, die Marketingverantwortliche und zugleich Chefin des deutschen Indian Motorcycle Rennteams, voller Begeisterung erzählt. „Auf dem Oval wird gekämpft, da gönnt keiner dem anderen was, aber sobald die Rennfahrer zurück im Fahrerlager sind, herrscht ein unvergleichliches
Gemeinschaftsgefühl. Da hilft man sich gegenseitig unabhängig davon, was oder wie lange man schon fährt. Denn alle wollen nur eines: Flat Track fahren und Spaß haben.“

Schreibe einen Kommentar