EINE SAMMLUNG ALTER INDIANS BRINGT EINEN FILMEMACHER UND SEINEN LANGE VERSCHOLLENEN COUSIN WIEDER ZUSAMMEN.
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Wenn man jung ist, tut man entfernte Verwandte leicht ab. Man sieht sie alle paar Jahre und hört immer wieder dieselben langweiligen Geschichten. Aber nimmt man sich die Zeit, sich einmal wirklich hinein zu versetzen, findet man darin sehr viel Tiefsinn. Es war im Spätherbst 2022. Meine Großmutter war im Winter zuvor verstorben und ich besuchte ihre Trauerfeier in Upstate, New York. Ich bin in New Hampshire aufgewachsen, aber meine Familie lebt seit jeher in der Capitol Region von New York. Auf der Beerdigung meiner Großmutter lief mir Tom Hope, der Cousin meiner Mutter über den Weg.
Ich wusste nur wenig über Tom, außer dass er ein begnadeter Maler war. Nur ein paar Mal hatten wir uns zuvor gesehen.
Wir quatschten über unser Leben, die Arbeit und ein bevorstehendes Videoprojekt, das ich mit Indian Motorcycle in den Florida Keys plante. Als er „Indian Motorcycle“ hörte, wurde er hellhörig und rief: „Weißt Du, dass ich eine alte Indian Sammlung habe?“ Noch eine ganze Weile unterhielten wir uns über Motorräder und Kunst, bevor ich mich wieder nach New Hampshire aufmachte.
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Im folgenden Jahr dachte ich oft an Tom und dessen Indian Sammlung. Welche Bikes waren das? War irgendeines davon noch fahrtüchtig?
Tom war so etwas wie ein Mysterium in unserer Familie. Ein Kauz, der alte Maschinen mochte und mit ihnen viel Zeit verbrachte.
„Sein Haus ist wie ein Museum“, sagte meine Mutter. Und so buchte ich am Memorial-Day-Wochenende 2023 die billigste Airbnb-Unterkunft, die ich in Chatham, New York finden konnte und fuhr auf Seitenstraßen von Vermont in eine abgelegene Ecke des Hudson Valley. Ich wollte einen Film machen und die Story von „My Cousin Tom“ erzählen.
Tom und seine Frau Lynne leben in einem Haus von 1872. Mit authentischen Tapeten, antiken Möbeln und Verdunkelungsrollos aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Er heizt das Haus mit Kohle und die meisten Möbel und Kunstwerke im Haus sind entweder Sammlerstücke oder von ihm selbst. Das Haus hat auch einen Dachboden, wie man ihn aus Filmen kennt, wo man ein Artefakt findet, das einem den Weg in die vierte Dimension eröffnet. Nach dem Obstgarten hinter dem Haus befindet sich die Scheune.
Als wir ankamen, begrüßte Tom mein Team und mich vor der Scheune. Er schob das Tor auf und präsentierte sieben Indians, die schräg auf den alten Scheunendielen standen. Ein Motorrad stand neben seiner Werkbank mit Schraubenschlüsseln um die Räder verteilt.
„Das ist meine 51er“, sagte Tom stolz. Vor uns stand eine Indian Chief aus dem Jahr 1951, eine Maschine, die so einzigartig war, dass sie ein Spiegelbild von Toms Selbst darstellte – und sicherlich ebenso viele Geschichten erzählte. Tom schob das Bike heraus, um es zu starten.
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Wir verbrachten den Vormittag damit, Tom in seinem Atelier im obersten Stockwerk des Hauses zu filmen. Er erzählte uns von einer Gemäldereihe, an der er die letzten 20 Jahre gearbeitet hatte. Als Filmemacher halte ich mich selbst gerne für kreativ, aber als ich Toms Kunstwerke und die schiere Größe einiger sah, begann ich, mich eher als Verkäufer zu fühlen. Seine Arbeiten variieren in Farbe, Stimmung und Größe, aber ein gemeinsamer Nenner ist Toms visionärer, künstlerischer Stil. „Ich gehe an einen Ort, an dem ich meinen Körper verlasse“, sagte er.
„Es ist, als ob jemand anderes die Kontrolle übernimmt. Die Spiritualität, als ich meine Kunstserie machte war wie meine Kirche. Ich wusste, dass ich etwas schuf, das größer war als ich.“ Tom zeigte uns seine Kollektionen und wir filmten, wie er eines seiner Lieblingsstücke nachbearbeitete. Zwischen den Dreharbeiten unterhielten wir uns über das Leben und die Familie. Er ist unglaublich stolz auf seine walisische Herkunft, aber auch seine Wurzeln im Hudson River Valley. Er weiß fast alles über die Geschichte der Region und ist ein beeindruckender Gesprächspartner. Toms Verbundenheit mit dem Ort, an dem er lebt, geht viel tiefer, als er selbst vielleicht versteht. „Ich hatte Träume über die Zukunft, und in meinen Träumen sah ich dieses Haus“, sagt er. „Ich bin hier wie ein Geist herumgelaufen und habe einfach meine Kunst und das Haus bewundert.“ Das Haus hat wirklich Charakter. Es gibt alte Artefakte, skurrile Deko und interessante Dinge an jeder Ecke. Toms Bike Sammlung ist ebenso beeindruckend wie seine Kunst und handverlesen. Jedes Bike repräsentiert etwas, das für ihn bedeutend ist. Neben seiner 1951er Chief besitzt Tom eine 1936er Jr. Scout, eine 1940er Jr. Scout Military 741, die auf 675 cm³ aufgebohrt wurde, und eine 1947er Chief. Der jüngste Zuwachs ist seine Indian Scout von 1941, die wohl sentimentalste seiner Sammlung.
„Eine Indian war etwas, das mein Vater immer haben wollte“, sagte er. „Kurz bevor er eingezogen wurde, kaufte ein Freund von ihm eine brandneue Indian Scout. Mein Vater meinte, sie sei einfach perfekt. Er wollte auch unbedingt ein Motorrad, aber er gab sein ganzes Geld seiner Familie, um diese zu unterstützen.“
„Ich habe mich nie wirklich für Indians interessiert,“ erinnert sich Tom. „Aber eines Tages in 1968 hatte ich die Gelegenheit, eine gebrauchte zu kaufen. Und der Typ, von dem ich sie kaufte, sagte: „Steig hinten auf, Junge“ und fuhr mich damit nach Hause. Seitdem bin ich ein Indian Motorcycle Fan. Die letzte Indian, die 41er Scout, habe ich für meinen Vater gekauft. Wenn ich mit dem Motorrad fahre, fahre ich mit ihm. Mann, das sind einfach großartige Motorräder! Sie sehen aus, als würden sie mit 100 Meilen über die Straße rasen, auch wenn sie nur dastehen.“
In den nächsten Monaten besuchten mein Team und ich Tom noch zwei weitere Male. Ich hätte nie gedacht, dass sich das Projekt so entwickeln würde, wie es tat. Mein ursprüngliches Ziel war, einen Kurzfilm über ein Familienmitglied zu drehen, das das Interesse an alten Motorrädern teilt. Aber dieses Projekt hat mir geholfen, eine tiefere, bedeutungsvollere Verbindung zu einem Familienmitglied aufzubauen, das ich kaum kannte, und daraus ist ein Werk entstanden, das Generationen überdauern kann.
Text: Josh Bogardus - Fotos : Josh Bogardus & George Watts
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